Von Nicola Maria Reimer
Bodo Wartke beweist sich als Ausnahmekünstler, dem es gelingt, ein generationsübergreifendes Publikum zu begeistern. In der ausverkauften Singener Stadthalle überzeugte der Musikkabarettist am Sonntagabend mit einem bunten Potpourri aus bewährten Stücken und neuen. Egal, ob melancholische Liebeslieder, Songs, gefüllt mit Lebenslust und Lebensfrust, intelligenten Gedankensträngen, wortgewandten Reimen und aberwitzigen Geschichten – Bodo Wartke kann es einfach. Nach einem eher leisen Programmauftakt mit nachdenklichen Texten, in dem er ebenso Tiefsinnigkeit wie Traurigkeit zeigte und in dem virtuose Passagen auf dem Flügel Raum hatten, nahm der Abend Fahrt auf.
Bei seinen bisherigen Programmen lädt er an diesem Abend das Singener Publikum atmosphärisch in sein Wohnzimmer ein, denn dort würden seine Lieder und Texte entstehen, erzählt er. Umgeben von Grünpflanzen, bequemem Lesesessel, Garderobenständer und dezenten Lichtquellen zog er dann und wann Bücher und Partituren aus dem Wohnzimmerregal, um aus ihnen zu lesen oder auf dem Klavier zu spielen. Wenn er zu Bachs Präludien singt, liegt der Humor in der Symbiose aus Text und Musik – und mit einer Lesung führt er die Texte aus Mozarts „Zauberflflöte“ ad absurdum. Wohl kaum jemand aus dem Publikum wird jemals wieder die Arie der Königin der Nacht hören können, ohne dabei zu schmunzeln.
Die textliche Neuinterpretation von Papagenos „Vogelfänger“ führt musikalisch zu alten Volksliedern und schweift in die Welt des schwarzen Humors ab. Gentlemanlike – im karierten Anzug, Weste und blank geputzten Schuhen – wagte Wartke an einigen Stellen Tanzeinlagen, ansprechend und schön, dynamisch und durchaus gekonnt. Gerade die Jüngeren im Publikum, denen er vor allem mit seinen Zungenbrechern und coolen Raps bekannt ist, kamen auf ihre Kosten, als er mit bewundernswerter Geschwindigkeit ein Repertoire abfeuerte, das mittlerweile weltweit viral geht. Ob „Barbaras Rhabarberbar“, „Der dicke Dachdecker“ oder „Fischers Fritz“, diese Klassiker sorgen ebenso für Verwunderung über und Bewunderung für die großartige Sprachakrobatik wie für frenetischen Applaus. Das Programm lebte von seiner Professionalität und spürbaren Leidenschaft für das, was er tut. Angenehm ist die Wertschätzung, die er seinem Publikum entgegen bringt. Er liefert ein rundes Programm, bestehend aus einem fein abgestimmten Mix existenzieller Fragen und herzerfrischender Komik.
Er erzählte über seine Kindheit, das Entsetzen seiner Eltern – beide Ärzte –, als er ihnen nach zwei abgebrochenen Studiengängen offenbarte, sich künftig als Künstler den Lebensunterhalt zu verdienen. Manchmal zeigt er sich nachdenklich, fast traurig, gerade wenn er musikalisch die Frage stellt: Was macht der Clown, wenn er traurig ist? In dieser Frage mag man fast den Anteil der Persönlichkeiten des Künstlers spüren. Der rote Faden des Abends ist der Programmname und die Frage: „Was, wenn doch?“ Das poetische Spiel mit den Möglichkeiten ist nachdenklich und unterhaltsam zugleich, lädt ein zu einem Perspektivenwechsel. Wie immer führt er das Publikum mit seinen Texten zunächst in die falsche Richtung; denkt man noch, er singt über die Liebe, löst sich am Ende eines Liedes das Rätsel auf und sorgt für eine erfrischende Überraschung. Der Meister des intelligenten Klavierkabaretts feuert Spitzen ab auf Politik und Religion und trifft zielsicher ins Schwarze. Bewegend und berührend, mutig und stark zeigt er seine persönliche politische Haltung mit seinem Lied „Nicht in meinem Namen“. Wenn er über das Klima und Verwüstung spricht, über Engstirnigkeit, Homophobie, die Unterdrückung von Frauen, über Gewalt, über Kriege, wird es ganz still im Publikum. „Wenn von selbsternannten Dienern Gottes auf Erden Kinder missbraucht und misshandelt werden, dann geschieht das gewiss nicht in meinem Namen“, heißt es. Der Text aus einem seiner älteren Programme, aufgrund des Weltgeschehens aktualisiert, sorgt für Gänsehaut. Nachdem die letzte Liedzeile verstummt, herrscht absolute Ruhe, ehe das Publikum stehend Beifall bekundet.
Zur Person
Bodo Wartke wurde im Jahr 1977 in Hamburg geboren. Mit seinen selbst komponierten und getexteten Liedern hat er bereits sechs Klavierkabarett-Programme als Solist kreiert. Hinzu kommen zwei weitere Best-of-Programme mit Orchestern und eines mit seiner Band. Darüber hinaus hat er zwei moderne Neudichtungen antiker Dramen herausgebracht, „König Ödipus“ und „Antigone“ nach Sophokles, in denen er alle Rollen selbst spielte. Sein erstes abendfüllendes Programm spielte er bereits im Alter von 19 Jahren. Bodo Wartke studierte Physik sowie Klavier und Gesang an der Universität der Künste in Berlin, brach beide Studiengänge aber ab.