Von Stephan Freißmann
Angestellte verbringen in der Regel ein Drittel ihres Lebens mit ihr, manchmal sogar mehr: Arbeit. Da sollte man erwarten, dass man Arbeit als etwas Sinnvolles und vielleicht sogar Erfüllendes erlebt. Doch die Sache mit dem Sinn hinter der Arbeit ist gar nicht so einfach. Das zeigte das zwölfte Wirtschaftsforum in der Singener Stadthalle am Donnerstag, 3. April.
Am Abend wollten an die 400 Menschen hören, wie Arbeitsforscher Hans Rusinek
die Sinnfrage in der Arbeitswelt beantwortet. Führungskräfte und Unternehmer aus demUmkreis sind bei dem prestigeträchtigen Treffen der regionalen Wirtschaft dabei, zudem tagsüber ein intensives Workshopprogramm gehört.
Geld allein motiviert nicht
Dass Geld allein nicht glücklich macht, sagt schon der Volksmund. Dass es als Mittel,
um Menschen bei der Arbeit zu motivieren, endlich ist, hätten auch Top-Manager von
Großkonzernen im Laufe der Zeit zu spüren bekommen, sagte Rusinek, der an der
schweizerischen Top-Universität Sankt Gallen arbeitet. Der Befund in Rusineks
pointierter Darstellung: Lieber lassen die Leute sich bei Start-ups ausbeuten, als viel
Geld bei Großkonzernen zu verdienen.
Es muss also noch etwas anderes als Geld geben, was Menschen bei der Arbeit
motiviert – einen Sinn hinter der Arbeit zum Beispiel. In Anlehnung an die US-amerikanische Philosophin Susan Wolf definiert Rusinek diesen Sinn als
Zusammenspiel von objektivem Wert einer Arbeit mit subjektiver Wertschätzung:
„Wenn eine dieser Hälften fehlt, hat man ein Sinnproblem.“ Als Beispiel dafür können Bullshit-Jobs dienen, die Rusinek ebenfalls erwähnte. Das sind hoch bezahlte, aber sinnlose Tätigkeiten – zum Beispiel Stellen, die nur geschaffen werden, damit eine eitle Führungskraft genügend untergebene Mitarbeiter hat.
Am Nachmittag gehörten Workshops zum Programm des Wirtschaftsforums. Maximilian Baumann von der Volksbank Gestalterbank beschäftigte sich dabei mit der Frage, wie Unternehmen eine eigene Arbeitgebermarke aufbauen und damit Sinnstiften können. Teamentwicklerin Daniela Christen brachte ihren Teilnehmern den Wandel bei der Führung näher. Und Arndt Zeitz von Daimler Truck stellte die Stärken von Zuhören und Feedback vor. Dass die Veranstalter des Wirtschaftsforums auf Dialog statt reinen Präsentationsmodus setzen, hob Zeitz beim Pressegespräch am Nachmittag positiv hervor: „Das erlebe ich selten bei Großveranstaltungen.“ Das SÜDKURIER-Medienhaus ist Medienpartner des Wirtschaftsforums, die Volksbank Gestalterbank mit Sitzen in Offenburg und Villingen tritt als Hauptsponsor auf.
Das Problem, Sinnhaftigkeit herstellen zu müssen, verortet Rusinek vor allem bei sogenannten Wissensarbeitern, die nur am Rechner sitzen. Dabei werde nichts wirklich fertig und die Arbeit sei auch nie wirklich beendet. Deswegen würden Wissensarbeiter mitunter auch am Wochenende töpfern lernen, eine Töpferin aber wohl kaum am Wochenende einen Excel-Kurs belegen. Und noch weitere Kraftsätze hat Rusinek im Gepäck, etwa: „Man sollte sich nicht so viele Gedanken darüber machen, wie man Mitarbeiter motiviert, sondern wie man sie nicht demotiviert.“ Denn Arbeit halte genügend Zumutungen bereit. Da habe Arbeit durchaus auch mit Leiden zu tun, weshalb in Rusineks Augen Leidenschaft ein besserer Motivator sei als der reine Spaß an der Arbeit.
Anschließend diskutierten unter der Moderation von Jörg-Peter Rau, Mitglied der SÜDKURIER-Chefredaktion, Rusinek und die drei Leiter der Workshops, die am Nachmittag stattfanden, das Thema Sinn der Arbeit auf der Bühne in der Singener Stadthalle. Dabei waren Arndt Zeitz, Chef der Personal- und Organisationsentwicklung bei Daimler Truck, die Teamentwicklerin Daniela Christen und Maximilian Baumann, Bereichsleiter Personal bei der Volksbank Gestalterbankmit Sitzen in Offenburg und Villingen.
Was tun, wenn jemand nur die Zeit absitzt?
Fragen kamen dabei auch aus dem Publikum. So fragte Ursula Schulz, die in Hilzingen eine Beratung für Unternehmensnachfolge betreibt, nach Mitarbeitern, die eigentlich nur noch frustriert seien, aber auf ihrem Platz bleiben würden, weil sie auf eine Abfindung hoffen. Gebe es dieses Phänomen in Deutschland und der Schweiz ähnlich oft? Rusinek hatte keine klaren Zahlen parat, wagte aber die Hypothese, dass es in Deutschland weiter verbreitet sei. Arndt Zeitz berichtete aus seiner Praxis, dass er keinen direkten Zusammenhang zwischen langer Unternehmenszugehörigkeit und sinkendem Engagement sehe.
Und wie kam der Abend beim Publikum an? Andrea und Richard Merk, die in Rielasingen-Worblingen eine Gemeinschaftspraxis als niedergelassene Ärztebetreiben, zeigten sich zufrieden. „Es gab auch Anregungen, die für eine Arztpraxissinnvoll waren“, sagte Richard Merk. Und seine Frau ergänzte, sie habe interessant gefunden, dass Manager auch Zeit an der Basis der Mitarbeiter eines Unternehmensverbringen sollten.