Von Stephan Freissmann
Was kann künstliche Intelligenz? Könnte sie meine Arbeit irgendwann ersetzen? Oder könnte KI einmal die Welt beherrschen? Die meisten Menschen haben derzeit mehr Fragen als Antworten zum Thema Künstliche Intelligenz (KI). Und das, wo KI bereits eines der beherrschenden Themen unserer Zeit ist. Das war beim elften Singener Wirtschaftsforum am Donnerstag zu spüren. Zur Abendveranstaltung mit dem Physiker, KI-Forscher und Wissenschaftsjournalisten Philip Häusser war die Stadthalle mit etwa 600 Besuchern voll besetzt.
Das Publikum verfolgte konzentriert Häussers Vortrag und die folgende Diskussionsrunde, die SÜDKURIER-Chefredakteur Stefan Lutz moderierte. Auf dem Podium nahmen dabei neben Häusser auch Klara Krieg, KI-Programm-Managerin bei Bosch, und Peter Keck, Unternehmensberater und Projektmanager mit KI-Spezialisierung, Platz – und einige Zuschauer, die ihre Fragen an die Experten stellten.
Was kam dabei heraus? Zum Beispiel eine Standortbestimmung darüber, was KI derzeit leisten kann und an welchen Punkten Menschen vorsichtig damit umgehen sollten. Die Grenzen sahen alle drei Experten dann erreicht, wenn Menschen Entscheidungen komplett an Computersysteme abgeben oder keine Kontrolle mehr darüber ausüben, was die Maschine tut.
Vor allem Klara Krieg äußerte sich skeptisch über zu großes Vertrauen in die Technik: „Die Maschine ist nicht objektiv, sondern subjektiv.“ Ein Paradebeispiel sind Computersysteme, die in den USA das Risiko einer erneuten Straffälligkeit von Straftätern bewerten sollten – und dabei rassistische Bewertungen vornahmen, weil die Trainingsdaten entsprechend vorbelastet waren. Krieg bewertete: „Man darf sich nicht hinter der KI verstecken, um moralischen Dilemmata aus dem Weg zu gehen.“
Und Peter Keck warf die Frage auf: Wer wisse schon, wie KI-Plattformen mit den Daten umgehen, auch wenn man der weiteren Verarbeitung widersprochen habe? Der neuen Technik verschließen dürfe man sich aber auch nicht.
Es braucht deutlich mehr Medienkompetenz
Um einen guten Umgang zu finden, da waren sich die Experten auf dem Podium ebenfalls einig, muss deutlich mehr Medienkompetenz her. Nicht jedes Kind müsse programmieren können, sagte Klara Krieg auf eine Publikumsfrage von BWL-Studentin Julia Kellermann. Aber jedes Kind müsse mit seinen Daten umgehen können.
Sehr viel Datenmaterial sei im Internet verfügbar, allein aufgrund von Videos, die mit Filtern optisch nachbearbeitet wurden und auf sozialen Medien zu finden sind, sagte Krieg weiter. Firmen könnten darauf beispielsweise für Werbung zugreifen und Videomaterial mithilfe von KI bearbeiten. Daraus könnten aber auch täuschend echte, aber gefälschte Videos werden, die besser als Deep Fakes bekannt sind und im Mittelpunkt von Kellermanns Frage standen. Viele Möglichkeiten, sich dagegen zu wehren, gebe es nicht, so Krieg.
„Wird man darauf in der Schule vorbereitet?“, lautete die Nachfrage von Stefan Lutz an die BWL-Studentin. Eigentlich habe sie sich Wissen über das Thema nur privat angeeignet, lautete ihre Antwort. Dass Jugendliche in der Schule deutlich besser auf das digitale Leben vorbereitet werden müssen, forderte auch Peter Keck auf die Frage von Paulin Wirth, Schülersprecher des Friedrich-Wöhler-Gymnasiums, ob es auch ein Übermaß an KI-Nutzung gebe.
Philip Häusser spann diesen Faden weiter: „Wenn im Netz nichts mehr wirklich echt ist, werden geprüfte Informationen wichtiger“, so seine Einschätzung. Das würde die Rolle von Medien wie dem SÜDKURIER stärken, denn die Menschen wüssten, dass sie deren Informationen vertrauen können, erklärte Häusser.
Experte erklärt die Grundlagen von Künstlicher Intelligenz
Zuvor hatte er in seinem Vortrag unter dem Titel „Künstliche Intelligenz für Einsteiger“ die Grundlagen von KI erklärt. Dabei betonte er zunächst, dass KI das Leben ähnlich wie das Internet verändern werde. Und Häusser warnte vor allem davor, künstliche mit menschlicher Intelligenz gleichzusetzen.
Denn für künstliche Intelligenz bilde man die Mechanismen von lebenden Nervennetzen mit künstlichen neuronalen Netzen nach. „Computer denken anders“, war einer der Sätze, die zu diesem Thema fielen. Daher bevorzuge er den Begriff maschinelles Lernen, so der Wissenschaftler und Journalist. Er verglich das Training künstlicher neuronaler Netze mit einem Keksrezept: Bei beidem gebe es viele Faktoren, die man verändern könne, bis das Ergebnis stimmt.
Auch wie Deep Fakes funktionieren, erklärte er. Dabei wandle, grob gesagt, ein künstliches neuronales Netz das Bild- oder Videomaterial von einem Gesicht in einen Zahlencode um. Mit einem Decoder könne man aus den Zahlen wieder ein Bild oder Video machen. Setze man nun den Zahlensatz eines Gesichts in das Bild einer anderen Person ein, entstehe ein Deep Fake. Man stehe an der Schwelle einer Revolution, so Häusser zum Ende seines Vortrags. Die KI könne vieles abnehmen, aber: „Denken müssen wir immer noch selber.“
Quelle: Südkurier
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