Bei Urban Priol ist alles im Fluss (Südkurier)

Täglich quellfrisch und immer aktuell – so kündigte das Kulturzentrum Gems den Kabarettisten Urban Priol an. Wieder einmal begeisterte er sein Publikum in der Singener Stadthalle. So lief der Abend.

Von Susanne Gerhmann-Röhm

Für Urban Priol braucht man Konzentration und einen Sinn für kleine Details und Kalauer. „Im Fluss“ heißt sein aktuelles Programm, mit dem er in der Stadthalle zu Gast war. Unzählige Male hatte das Kulturzentrum Gems den Kabarettisten schon eingeladen. Dabei ist der Titel „Im Fluss“ wörtlich zu nehmen, denn aktuelle politische Entwicklungen nimmt Priol gern auf die To-Do-Liste. Und die Begeisterung seines Publikums ist ihm in Singen sicher. Immer wieder brandet Applaus auf und von Anfang an haben viele Zuschauer was zu Lachen, auch wenn nicht alle Themen zum Lachen sind.

Nicht mal vor dem Wetter macht er Halt

Zunächst einmal knöpft er sich die Wetterkapriolen der letzten Zeit vor. „Das gab‘s früher nicht, dass die Schulpflicht, wie in Bayern geschehen, wegen zu erwartenden Schneefalls ausgesetzt wurde“, stellt Priol nüchtern fest. Die „straßentauglich gemachten Geländewagen sind dem Schneefall einfach nicht gewappnet“, um die Kinder mit dem SUV bis vor die Schule fahren zu können.

Und immer wieder kommt er auf die Bahn zu sprechen. Den alten Slogan „Alle reden vom Wetter. Wir nicht“ müsste man eigentlich umtexten in „Oh, Wetter, bleiben wir lieber im Depot“. Zum Thema Bauernproteste hat Priol ganz neue Ideen. Vielleicht könnten sich die Klimakleber mal dort festkleben, bevor die Traktoren kommen. Und die Traktoren könnten doch Mahnwachen vor großen Milchbetrieben halten oder die Parkplätze von Discountern blockieren.

Immerhin gingen die Leute für die Demokratie in letzter Zeit massenhaft auf die Straße. Schließlich sei sie „das Beste, was wir haben“, sagte Priol. Die Streiks bei der Bahn hätten ja die CDU-Mittelstandsvereinigung auf den Plan gerufen. Dessen Vorsitzende Gitta Connemann hätte ja wohl angeregt, über eine Verschärfung des Streikrechts nachzudenken. Die kritische Infrastruktur sei allerdings nicht wegen Streiks in Gefahr, sondern weil Schulen und Krankenhäuser kaputt gespart würden oder Unternehmen an Chinesen verramscht würden. A apropos Streik: Auch Opern konnten ja dieser Tage nicht mehr besucht werden, weil Verdi gestreikt habe.

Auch seine Tochter hat sich schon mit dem Thema „Gendern“ auseinandergesetzt. „Für uns ist Gendern das, was bei Euch früher das Gegen-die-Atomkraft-Sein war“, habe sie im erklärt. „Ja, das ist fast das Gleiche, nur, wo wollt ihr all die Silben dann endlagern“, fragt sich Priol. Lieber solle man mal dafür kämpfen, dass Frauen gleichen Lohn für gleiche Arbeit bekommen.

Sehr witzig ist seine Vision vom TV-Duell vor der Wahl in Amerika. Der Dialog könnte wohl so beginnen, dass Donald Trump Joe Biden fragt „Who are you?“ (wer bist Du?) und Biden antworten könnte „I don`t know“ (ich weiß es nicht). Oder umgekehrt. Was möglicherweise gar nicht so abwegig sein dürfte. Fröstel.

Wie von früheren Auftritten gewohnt, bekommt die FDP wieder ihr Fett ab. „Die FDP ist die überflüssigste Partei seit Beginn der Wetteraufzeichnungen“ ist Priol überzeugt. Und es sei ganz und gar nicht so, dass die FDP an der Ampel leide, sondern nur umgekehrt werde ein Schuh draus. Selbstverständlich kommen die Zuschauer auch wieder in den Genuss seiner gekonnten Parodien von Angela Merkel, Gerhard Schröder, Hubert Aiwanger oder Winfried Kretschmann. Da finden sich ja immer genügend Ansatzpunkte, auch wenn Mutti nicht mehr regiert.
 

Zur Person

Urban Priol wurde im Mai 1961 in Aschaffenburg geboren. 1982 stand er das erste Mal auf einer Bühne. Im Jahre 1988 eröffnete er die Kleinkunstbühne Kochsmühle in Obernburg am Main, wo er auch aufwuchs. 1998 folgte die Eröffnung der Kleinkunstbühne Hofgarten in Aschaffenburg. Im Jahr 2004 hatte er auf 3Sat seine erste eigene TV-Sendung „Alles muss raus“. Ab 2007 war er Gastgeber der ZDF-Sendung „Neues aus der Anstalt“, zunächst mit Georg Schramm, ab 2010 mit Frank-Markus Barwasser alias Erwin Pelzig. Seit 2013 ist er immer wieder zu Gast in Sendungen wie den WDR-Mitternachtsspitzen, dem BR Schlachthof, Ringlstetter oder Schleichfernsehen. Im Fernsehen präsentiert er immer zum Jahresende seinen ganz persönlichen Jahresrückblick unter dem Motto „Tilt!“


Quelle: Südkurier